Müdigkeit am Steuer vs. Trunkenheit am Steuer

Bei einer Befragung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) im Jahr 2016 haben 26 Prozent von 1.000 befragten Fahrzeugführern angegeben, schon mindestens einmal am Steuer eingeschlafen zu sein. Deutlich drastischer lauten die Zahlen bei Menschen, die viel auf Autobahnen unterwegs sind: So zeigte eine weitere Umfrage des DVR und der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) aus dem Jahr 2017, dass 46 Prozent von 353 erfassten Lastwagenfahrern schon einmal während der Fahrt eingenickt sind. Auffällig: Bereits 43 Prozent der befragten Kraftfahrer glauben, den richtigen Zeitpunkt für das Einschlafen sicher vorhersagen zu können.

Müdigkeit am Steuer ist für einen erheblichen Prozentsatz der Verkehrsunfälle verantwortlich, wird aber nicht annähernd so sehr beachtet wie Trunkenheit am Steuer. In den letzten Jahren haben Experten dazu aufgerufen, dem Problem des Fahrens bei Müdigkeit oder Übermüdung mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Müde Autofahrerin

Schläfriges Fahren vs. betrunkenes Fahren

Die Beeinträchtigung durch Alkohol ist anhand von Blutalkoholmessungen relativ leicht zu messen, aber Schlafmangel ist schwieriger zu definieren, insbesondere im Nachhinein. Da die meisten Menschen nur ungern zugeben, dass sie in müdem Zustand Auto gefahren sind, gehen Experten davon aus, dass Unfälle in übermüdetem Zustand oft fälschlicherweise auf andere Faktoren geschoben werden.

Nach einer sorgfältigen Analyse gehen Experten davon aus, dass die tatsächliche Zahl der jährlichen Todesfälle aufgrund von Müdigkeit am Steuer in Deutschland noch höher liegt als bisher ermittelt. Dies würde bedeuten, dass Übermüdung an einer Großzahl der tödlichen Unfälle pro Jahr beteiligt ist. Unter Berücksichtigung von Krankenhauseinweisungen, Sachschäden und anderen Kosten belaufen sich die geschätzten gesellschaftlichen Kosten von Müdigkeit am Steuer in Deutschland auf 20 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Warum ist es gefährlich, Auto zu fahren, wenn man müde ist oder unter Schlafentzug leidet?

Neben der Gefahr, am Steuer einzuschlafen, hat Müdigkeit ernsthafte Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit, das Urteilsvermögen, die Entscheidungsfindung, die Koordination, die Konzentrationsfähigkeit und die Reaktionszeit eines Fahrers.

Schläfrige Fahrer können zwischen den Fahrspuren hin und her schwanken. Es kann ihnen schwerfallen, die richtige Geschwindigkeit und einen angemessenen Abstand zu anderen Fahrzeugen einzuhalten, und sie können möglicherweise nicht rechtzeitig reagieren, um einem Hindernis auszuweichen. Bei einem großen Teil der Unfälle mit übermüdeten Fahrern kommt ein einzelner Fahrer mit hoher Geschwindigkeit von der Straße oder auf eine andere Spur ab.

Wie ist das Fahren bei Müdigkeit im Vergleich zum Fahren unter Alkoholeinfluss?

Obwohl Müdigkeit am Steuer und Trunkenheit am Steuer nicht identisch sind, weisen sie einige Ähnlichkeiten auf und gelten als gleichermaßen gefährlich. In beiden Fällen ist die Reaktionszeit verlangsamt und die Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung beeinträchtigt. In kontrollierten Studien, bei denen die Forscher den Grad des Schlafentzugs messen konnten, führten sowohl Trunkenheit als auch Schläfrigkeit am Steuer zu einer ähnlichen Anzahl von Unfällen.

Die Beeinträchtigung durch Alkohol ist gekennzeichnet durch Probleme mit dem Sehvermögen, der räumlichen Wahrnehmung und der Fähigkeit, die Geschwindigkeit zu beurteilen. Betrunkene Fahrer sind oft impulsiv, ungehemmt und übermäßig selbstbewusst, was zu riskantem Fahrverhalten führt. Im Gegensatz dazu beeinträchtigt Müdigkeit in erster Linie unsere Fähigkeit, auf die Straße zu achten und angemessen zu reagieren. Besonders gefährlich kann sie in Situationen sein, die schnelle Reaktionen erfordern, um einen Unfall zu vermeiden.

Nach etwa 18 Stunden im Wachzustand sind die Auswirkungen auf Reaktionszeit, Wachsamkeit, Multitasking und Hand-Augen-Koordination vergleichbar mit einem Blutalkoholgehalt von 0,05 %. Nach 20 Stunden Wachsein sind übermüdete Fahrer in einem Maße beeinträchtigt, wie bei einem Blutalkoholgehalt von 0,08 %. Nach 24 Stunden im Wachzustand entspricht die Beeinträchtigung einem Blutalkoholgehalt von 0,1 %.

Selbst leichter und kurzfristiger Schlafentzug kann die Fahrtüchtigkeit gefährlich beeinträchtigen. Eine Studie ergab, dass sich das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, bei einem Schlaf von sechs bis sieben Stunden pro Nacht verdoppelt, während es sich bei weniger als fünf Stunden Schlaf nochmals verdoppelt.

LKW-Fahrer schläft am Lenkrad

Risikofaktoren für schläfriges Fahren

Müdigkeit am Steuer tritt am ehesten zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens oder am späten Nachmittag auf, wenn die meisten Menschen von Natur aus müde sind. Das Fahren auf einer eintönigen Straße oder das Fahren allein kann die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls erhöhen.

Übermüdete Verkehrsteilnehmer sind häufig Personen, die weniger als sechs Stunden geschlafen haben, Personen, die an Schlafapnoe oder anderen Schlafstörungen leiden, junge Fahrer, Personen, die Alkohol konsumiert haben oder Medikamente einnehmen, Schichtarbeiter und Berufskraftfahrer.

So bleibst du sicher im Straßenverkehr

Die beste Vorbeugung gegen Unfälle durch Müdigkeit am Steuer ist ausreichend Schlaf. Außerdem solltest du keinen Alkohol trinken und keine Medikamente einnehmen, die deine Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Achte während der Fahrt auf Anzeichen von Müdigkeit, z. B:

  • Schwere Augenlider oder häufiges Blinzeln
  • Gähnen
  • Tagträumerei und Konzentrationsschwierigkeiten
  • schlechte Erinnerungsfähigkeit an die letzten Kilometer
  • Hin- und Herpendeln zwischen den Fahrspuren
  • Überfahren von Rüttelstreifen
  • Hängender Kopf
  • Schleppendes Fahren
  • Übersehen von Schildern oder Ausfahrten
  • Unruhe, Reizbarkeit und Aggressivität

Gönne dir regelmäßige Pausen, und wenn du merkst, dass du müde wirst, halte an und lege ein 20-minütiges Nickerchen an einem sicheren Ort ein. Koffein, das Öffnen des Fensters und das Aufdrehen des Radios sind nur kurzfristige Lösungen und können dich für gefährliche „Mikroschlafphasen“ anfällig machen.

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Matthias Böhm

Matthias setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Menschen mit Informationen zu versorgen, die sie nutzen können, um sinnvolle Entscheidungen über ihre Gesundheit zu treffen. Als wissenschaftlicher Autor hat er mehr als ein Jahrzehnt damit verbracht, Patient*innen, Betreur*innen und Fachleute mit qualitativ hochwertigen, faktenbasierten Informationen zu versorgen und diese zu verfassen. Wenn er nicht gerade schreibt, kocht Matthias gerne vegetarisch, wandert und schläft gerne aus.

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